Bereits seit der Postmoderne macht sich eine zunehmende „Skepsis gegenüber den Metaerzählungen“ (Jean-François Lyotard) bemerkbar, die sich in einer ausgewachsenen Krise des Subjekts und dem schließlichen Schwinden des uneingeschränkten Glaubens an die eine Wahrheit manifestiert. Diese Erschütterung des Selbstverständnisses einer absoluten Realität wirkt bis in die Gegenwart nach – mehr noch, man möchte meinen, es habe noch nie so schlimm um den Begriff der Authentizität gestanden wie heute, wo klassische Medien von höchster politischer Stelle diffamiert und deren Beiträge als „Fakenews“ bezeichnet werden; wo eine immer größer werdende Allgemeinheit auf den Wahrheitsgehalt von in Onlineforen kundgetanen Meinungen vertraut; wo Aussagen aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen, an anderer Stelle beliebig wieder eingesetzt und einfach so oft wiederholt – „geteilt“ – werden, bis alle deren ursprüngliche Quelle aus den Augen verloren haben und sie unhinterfragt als Gegebenheit akzeptieren.
Anlässlich dieser aktuellen Beobachtungen kokettiert auch der vorliegende Heftfokus mit jenen Tendenzen und nimmt sich der Diskrepanz zwischen wissenschaftlich bewiesenen Fakten und deren Interpretation an. Unter dem Thema „Fact or Fake“, vorgeschlagen und erarbeitet von Tim Otto Roth, geschieht dies gleich in mehrfacher Hinsicht: einerseits, indem sich unser Gast gerade den bereits 1991 verstorbenen Philosophen Vilém Flusser als „Gesprächspartner“ für seinen Beitrag ausgesucht hat; andererseits, da die beiden im Zuge ihrer fiktiven Unterhaltung die unbekümmerte Entkontextualisierung, Weiterverwertung und Umdeutung von Forschungsergebnissen im Rahmen künstlerischer Projekte aufdecken – und dabei auch nicht davor zurückschrecken, dies anhand ausgewählter Werke von im zeitgenössischen Kunstgeschehen anerkannten Größen zu demonstrieren.
In diesem Sinne wünschen wir eine umso erfrischendere Reise in diese und viele weitere Bilderwelten unserer Sommerausgabe und hoffen, dass Sie uns (und vor allem anderen) auch weiterhin nicht immer alles ganz vorbehaltlos glauben!
Nela Eggenberger
für EIKON, Juni 2018
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