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EIKON #124 (November 2023)
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Zumindest in westlichen Demokratien scheint es, als seien fluide Identitäten inzwischen gesellschaftlich so weit akzeptiert, dass sogar Modeketten Anlässe wie den Pride Month kommerziell nutzen können; dass das Bewusstsein von der Konstruiertheit des sozialen Geschlechts letztendlich im Mainstream angekommen ist. Vorausgegangen ist dem freilich ein langer Prozess, an dem neben einer aktiven Subkultur nicht zuletzt auch Künstler:innen durch gezieltes Hinterfragen von Rollenstereotypen beteiligt waren. Die Fotografie nahm dabei, als Spiegel der – nun immer zweifelhafteren – Realität, stets eine tragende Rolle ein.
Mit „Questioning Queerness“, dem Motto des vorliegenden Heftschwerpunkts, wird anlässlich der Präsenz von LGBTQIA+ der Fokus auf die Befragung von Geschlechterkonstruktionen am Beispiel des OEuvres zweier Jubilar:innen gelegt, die dieser Thematik lange vor den heutigen Debatten nachgespürt haben: Renate Bertlmann und Jürgen Klauke, beide Jahrgang 1943, haben sich bereits vor ca. 50 Jahren eingehend mit sexueller Identität beschäftigt. Die Frühwerke der beiden visualisieren (selbst wenn die aktuell diskutierten Begrifflichkeiten noch lange nicht definiert waren) dabei viele der die heutige Gesellschaft umtreibenden Gedanken. So geht es bei Jürgen Klauke darum, „festgeschriebene geschlechtliche Identitäten aufzubrechen, um eine binäre Logik der Sexualität als unzulänglich zu entlarven und derart normative Idealbilder von Geschlechtlichkeit – ob in Bezug auf Männlichkeit oder Weiblichkeit – durch eine Anagrammatik des Körpers zu verunsichern“ (Elisabeth Bronfen). Bei Renate Bertlmann wiederum lassen sich dieselben Ambivalenzen im Akt des Umstülpens, wie er in ihren Latexarbeiten praktiziert wird, vielleicht am deutlichsten festmachen: Er zeigt, „dass Form und Inhalt identisch sind, oder umgekehrt: dass es diese Unterscheidung nicht gibt. […] Schnuller und Präservativ, Penis und Vagina sind lediglich vexierbildartige Ausformungen eines einzigen flexiblen Stoffes, einer weichen Haut“ (Katharina Sykora).
Anhand der Werke Bertlmanns und Klaukes lässt sich neben so vielem, was an dieser Stelle unerwähnt bleiben muss, vor allem auch erfahren, auf welche Art festgefahrene Klischees wahrscheinlich am besten aufgebrochen werden können: mit einer gewissen Leichtigkeit und Sinn für Humor.
Nela Eggenberger
für EIKON, November 2023
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